Sechs Monate Freiwilligendienst in Santa Cruz

Ein Bericht von Göran Hegenberg

Hallo, ich bin Göran Hegenberg, 19 Jahre alt und ein reisebegeisterter und weltoffener Junge aus Thüringen. Als Jugendweihegeschenk flog ich 2015 mit einer Gruppe von 13 Jugendlichen und dem Weltumradler Axel Brümmer im Rahmen der Jugendreisen des Vereins Saalfeld-Samaipata e.V. nach Bolivien. Zwei Wochen verbrachten wir in Santa Cruz, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes, wo die großen Banken stehen und unzählige Autos die schwülwarme Luft verpesten. Die Salesianer unterhalten dort ein Projekt, welches sich um Straßenkinder sowie Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen kümmert und ihnen ein Dach über dem Kopf, Schulbildung und die Chance auf eine Zukunft gibt. Saalfeld-Samaipata e.V. unterstützt dieses Projekt und so waren wir auch bei der Jugendreise 2015 dort und knüpften Freundschaften mit den Kindern aus den Heimen. Die Erfahrungen der Jungendreise prägten mich so sehr, dass ich mich entschied nach dem Abitur noch einmal für ein halbes Jahr nach Santa Cruz zu fliegen, um dort als freiwilliger Helfer zu arbeiten. Ich bin weder Spanischprofi, noch bin ich schon einmal allein außerhalb Europas gewesen, daher war ich schon etwas aufgeregt, als es am 6. Oktober 2019 dann soweit war und ich zum Flughafen nach Frankfurt fuhr.

In Santa Cruz gelandet, erwartete mich schon Lidia Honnen, die Leiterin des Vereins APNA, der Partnerverein von Saalfeld-Samaipata e.V., welcher für die Verwaltung der Spendengelder zuständig ist. Lidia stellte mir alle Heime vor, half mir beim bürokratischen Papierkram für das Visum und brachte mich zum Volontärshaus, welches nun mein neues Zuhause für sein sollte.

Das gesamte Projekt besteht zurzeit aus vier Heimen. Im Stadtzentrum liegt das „Techo“, ein Heim für Straßenkinder und -jugendliche, welche dort freiwillig hingehen können. Dann gibt es zwei Heime, in denen Kinder dauerhaft leben können. Das „Mano Amiga“ für die Mädchen und kleineren Kinder und das „Hogar Don Bosco“, ein reines Jungsheim. In letzterem arbeitete ich als Volontär mit den älteren Jungen. Außerdem gibt es noch das „Barrio Juvenil“, eine Ausbildungsstätte, in der die jungen Erwachsenen später den Beruf eines Bäckers, Tischlers, Kochs oder Konditormeisters erlernen können.

An meine Arbeit im Hogar Don Bosco gewöhnte ich mich relativ schnell. Die Sprachbarrieren waren am Anfang echt nervig, aber mit Händen und Füßen kann man sich ja auf der ganzen Welt verständigen. Und es dauerte kaum einmal vier Wochen, da konnte ich schon relativ flüssig auf Spanisch kommunizieren. Als Volontär war ich eigentlich so etwas wie ein Allzweckwerkzeug. Ich half wo ich konnte und war ziemlich flexibel. Im Prinzip begleitete ich meine Gruppe von Jungs den ganzen Tag bei allem was so ansteht. Essen, beten, Hausaufgaben machen, Wäsche waschen, Haus putzen, Sport machen und die Freizeit gestalten. Ja, die Kinder dort sind selbst dafür zuständig die Wäsche zu Waschen und das ganze Heim jeden Tag zu säubern. Luxus ist das Leben dort definitiv nicht! Auch Privatsphäre gibt es für die Kinder kaum. Es gibt Schlafsäle und jedes Kind hat ein kleines Regal wo es sein Hab und Gut verstauen kann, meistens nur ein Spielzeug, Kuscheltier und Kleidung. Einige Jungs haben auch ein Handy, welches sie am Wochenende benutzen dürfen. So kam mir die Idee, den Kindern auf spielerische Art und Weise Englisch mit der App Duolingo beizubringen.

Zuerst musste ich dafür die Computer im Computerraum wieder auf Vordermann bringen, neue Kabel kaufen, damit wir überall Internet haben und den verstaubten Raum einmal komplett säubern. Nun bildeten wir zwei Gruppen und jeder, der wollte, durfte zwei Mal pro Woche Englisch lernen. Außerdem sangen wir englische Lieder zusammen und ab und zu machte ich einen kleinen Englischtest. Die Jungs fanden es richtig cool die englischen Beschriftungen ihrer T-Shirts lesen zu können und wenn ich etwas auf Spanisch nicht verstand, versuchten sie es dann auf Englisch zu erklären.

Die Woche im Heim sieht ungefähr so aus: Montag bis Freitag ist immer vormittags Schule und nachmittags werden die Hausaufgaben gemacht. Ein bisschen Freizeit ist natürlich auch noch dabei. Am Samstag ist großer Ausflugs- und Badetag. Zum Projekt gehört ein eigenes kleines Freibad, welches die Attraktion der Woche darstellt. Außerdem gingen wir samstags oft Fußballspielen oder in einen Stadtpark in der Nähe. Ich bin absolut kein Fußballfan, aber so richtig kommt man nicht drum herum. Jeden Sonntag ist um 10:00 ein gemeinsamer Gottesdienst in der Kirche. Dieser ist jedoch ein wenig anders als in Deutschland, es wird viel gesungen und getanzt.

Tagebucheintrag – 15.10.2019

Ich stand heute erst 12 Uhr auf und hatte so diese Nacht mehr als genug Schlaf. Unten in der Küche machten Philipp, Gabriel und ich uns noch Omeletts mit Spinat und Käse zum Frühstück, danach ging es ins Heim, wie jeden Tag um 14 Uhr. Insgesamt sind wir als VolontärInnen drei Jungs und vier Mädchen aus Deutschland sowie noch zwei Holländerinnen. Es ist eine ziemlich coole Gruppe und damit wir uns auch mit den Holländerinnen verständigen können, sprechen wir immer Englisch oder Spanisch.

Unsere Küche und der Aufenthaltsraum im Volontärshaus

Im „Hogar Don Bosco“ hatte ich mit meiner Gruppe von ca. 10 Kindern bis 16 Uhr Hausaufgabenstunde und wir lernten wieder fleißig Englisch mit Duolingo. Anscheinend macht den Kids das Lernen mit der App richtig viel Spaß, sie sind fast schon besessen davon. Ständig fragen sie mich, ob sie mit meinem Smartphone üben dürfen. Meistens setze ich mich dann aber trotzdem neben sie, um zu schauen, was und wie gut sie lernen, und um darauf aufzupassen, dass niemand irgendetwas anderes an meinem Handy macht. Die Kinder fragen auch öfter nach wie viel es gekostet hat oder von welcher Marke es stammt.

Die Kinder meiner Gruppe sowie der Eddil, der Educador (Betreuer für den ganzen Tag) in der Sala (Raum für Hausaufgaben und Aufenthalt)

Nach der Merienda, dem Nachmittagssnack, war Wäschewaschen angesagt. Ich bin dafür zuständig den Kindern Seife und Waschpulver auszuteilen, die Wäsche wird mit der Hand gewaschen. Echt gut, dass wir im Volontärshaus wenigstens eine Waschmaschine haben! Während die Kinder die Wäsche säubern, versuche ich etwas Ukulele zu spielen. Mehr als zwei Akkorde kann ich allerdings noch nicht – naja, immerhin etwas. Danach spielen die meisten Kinder Fußball, vier andere lernen mit meinem Handy Englisch. Auf Fußballspielen habe ich nicht wirklich Lust, da ich darin immer schlecht war, also mache ich ein paar Klimmzüge und versuche mit einem anderen Jungen aus dem Hogar über die Tischtennisplatte zu springen, denn Parcour fand ich schon immer toll! Zum Abendessen gibt es gebratene Nudeln mit Gemüse und Fleisch, ein Gericht, welches die Kinder an meinem Tisch besonders lieben. Nach dem Essen ist noch etwas Freizeit, die Kinder müssen sich duschen und dann geht es für jeden ins Bett. Allerdings ist es manchmal ziemlich schwierig die Kinder unter die Dusche zu bekommen, teilweise muss ich sie dann mit aller Kraft dahin zerren, was sie sehr lustig finden und ich überhaupt nicht – die Arbeit als Freiwilliger ist halt nicht immer einfach. Die meisten gehen sich aber schon freiwillig waschen. Um 9:00 Uhr habe auch ich Schichtende und kann den Abend entspannt im Volontärshaus ausklingen lassen.

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